Freitag, 1. September 2006
Von Zivilcourage und dem Druck, unter dem man steht, wenn jemand mit Nadeln droht!
chrissen, 15:48h
Das Thema Zivilcourage beschäftigt mich hier drinnen sehr.
Oder besser gesagt die Frage: Wo hört Zivilcourage auf und wo fängt Klugscheisserei an?
Ein kleines Beispiel:
Ich bekomme mittags meist zwei Nachtische, um meine Statur ein wenig auf Vordermann zu bringen. Gestern hatte ich
1. einen Becher Mousse Au Chocolat, den ich aufgrund der Gelatine jedoch "vergessen hatte, vor dem abräumen vom Tablett zu nehmen" bzw. heimlich habe zurückgehen lassen und
2. ein Becherlein Milch.
Nun gut, dachte ich. Milch magst Du zwar nicht, aber lieber Milch als gar kein Nachtisch!
Dann fiel mein Blick auf das Verfallsdatum: Die Milch war seit drei Tagen abgelaufen.
Gut, daß ich latent paranoid bin, die Augen offen halte und mir nicht einfach alles in den Mund stecke, was man mir auf den Tisch legt.
Anders verhält sich in solchen Situationen der nette alte Mann nebenan.
Was soll er auch anderes tun?
Er ist den Schwestern und Pflegern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert!
Just gestern morgen hatte eine der Schwestern einen meiner Waschlappen von der Heizung genommen, um den alten Mann damit zu waschen. Ich persönlich habe damit keine Probleme, ich schenke dem netten alten Mann gerne einen meiner Waschlappen.
Nur war dieser leider schon benutzt!
Ich habe mir vorgestellt, wie die Schwester schön und gewissenhaft seinen Mund, vor allem seine Mundwinkel damit säubert... Ich war in diesem Moment sehr froh, daß ich mir meine Waschlappen stets selbst aussuchen konnte!
Hätte ich dieses Detail des allmorgentlichen Waschrituals früher bemerkt, ich hätte sicherlich laut "HEY, MOMENT MAL!" gerufen und das wäre eindeutig unter "Zivilcourage" gefallen.
Man wünscht Menschen nicht, daß sie mit den benutzten Waschlappen anderer Leute das Gesicht gewaschen bekommen, wirklich nicht!
Und ich hatte es leider erst zu spät bemerkt.
Doch zurück zur Milch.
Ich wollte die Milch nicht zurückgehen lassen, da ich ja bereits meinen Mousse au Chocolat "auf dem Tablett vergessen" hatte. Und jeder Aufruhr für den Du verantwortlich bist, bringt Dich einem Date mit der Schwester-Mit-Der-Nadel [TM] näher!
Also liess ich die Milch im Mülleimer verschwinden, unter einer leeren Puffreispackung, so daß keiner auf den Gedanken kommen konnte "Oh, hier liegt ja noch eine volle Milch!".
Ich war die Milch auf Nimmerwiedersehen los!
Aber ich dachte natürlich nicht daran, daß dort, wo die Milch herkam noch andere standen.
Allesamt abgelaufen.
Allesamt voller Hoffnung, vielleicht doch noch unbemerkt getrunken zu werden.
Ich vergaß den Vorfall, da er mir nichtig erschien.
Die Zeit verrann und dann kam das Abendessen.
Ich aß es.
Mein netter alter Nachbar wollte lieber Suppe. Der Pfleger verschwand und eilte kurz darauf mit einem Teller Suppe zurück.
(Ich versuche immer, mir die Pfleger im Wrack vorzustellen, aber weder Kellner noch Pinguine tauchen montags zur Blutnentnahme auf...)
Als ich gerade mitten beim ins-Brot-beissen war, tauchte der Pfleger-ohne-Frack [TM] erneut auf und rief mit zuckersüsser Stimme in Richtung des alten Mannes "Schauen Sie mal, hier haben wir noch lecker Milch!".
Ich verschluckte mich an meinem Brot, hustete und stand vor der Wahl:
1. nichts sagen, eine Viertelstunde schlecht fühlen
2. etwas sagen, Milch abgelaufen, Ruf der Stations-Petze einheimsen (--> Nadeln)
3. etwas sagen, Milch frisch, Ruf des Stations-Klugscheissers einheimsen (--> noch mehr Nadeln)
Ich fühlte mich eine Viertelstunde schlecht.
Dann hörte ich das Rascheln, das Cellophan-Papier verursacht, wenn man versucht einen Milch-Strohhalm daraus zu befreien. Ich fühlte mich noch eine weitere Viertelstunde schlecht.
Oder besser gesagt die Frage: Wo hört Zivilcourage auf und wo fängt Klugscheisserei an?
Ein kleines Beispiel:
Ich bekomme mittags meist zwei Nachtische, um meine Statur ein wenig auf Vordermann zu bringen. Gestern hatte ich
1. einen Becher Mousse Au Chocolat, den ich aufgrund der Gelatine jedoch "vergessen hatte, vor dem abräumen vom Tablett zu nehmen" bzw. heimlich habe zurückgehen lassen und
2. ein Becherlein Milch.
Nun gut, dachte ich. Milch magst Du zwar nicht, aber lieber Milch als gar kein Nachtisch!
Dann fiel mein Blick auf das Verfallsdatum: Die Milch war seit drei Tagen abgelaufen.
Gut, daß ich latent paranoid bin, die Augen offen halte und mir nicht einfach alles in den Mund stecke, was man mir auf den Tisch legt.
Anders verhält sich in solchen Situationen der nette alte Mann nebenan.
Was soll er auch anderes tun?
Er ist den Schwestern und Pflegern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert!
Just gestern morgen hatte eine der Schwestern einen meiner Waschlappen von der Heizung genommen, um den alten Mann damit zu waschen. Ich persönlich habe damit keine Probleme, ich schenke dem netten alten Mann gerne einen meiner Waschlappen.
Nur war dieser leider schon benutzt!
Ich habe mir vorgestellt, wie die Schwester schön und gewissenhaft seinen Mund, vor allem seine Mundwinkel damit säubert... Ich war in diesem Moment sehr froh, daß ich mir meine Waschlappen stets selbst aussuchen konnte!
Hätte ich dieses Detail des allmorgentlichen Waschrituals früher bemerkt, ich hätte sicherlich laut "HEY, MOMENT MAL!" gerufen und das wäre eindeutig unter "Zivilcourage" gefallen.
Man wünscht Menschen nicht, daß sie mit den benutzten Waschlappen anderer Leute das Gesicht gewaschen bekommen, wirklich nicht!
Und ich hatte es leider erst zu spät bemerkt.
Doch zurück zur Milch.
Ich wollte die Milch nicht zurückgehen lassen, da ich ja bereits meinen Mousse au Chocolat "auf dem Tablett vergessen" hatte. Und jeder Aufruhr für den Du verantwortlich bist, bringt Dich einem Date mit der Schwester-Mit-Der-Nadel [TM] näher!
Also liess ich die Milch im Mülleimer verschwinden, unter einer leeren Puffreispackung, so daß keiner auf den Gedanken kommen konnte "Oh, hier liegt ja noch eine volle Milch!".
Ich war die Milch auf Nimmerwiedersehen los!
Aber ich dachte natürlich nicht daran, daß dort, wo die Milch herkam noch andere standen.
Allesamt abgelaufen.
Allesamt voller Hoffnung, vielleicht doch noch unbemerkt getrunken zu werden.
Ich vergaß den Vorfall, da er mir nichtig erschien.
Die Zeit verrann und dann kam das Abendessen.
Ich aß es.
Mein netter alter Nachbar wollte lieber Suppe. Der Pfleger verschwand und eilte kurz darauf mit einem Teller Suppe zurück.
(Ich versuche immer, mir die Pfleger im Wrack vorzustellen, aber weder Kellner noch Pinguine tauchen montags zur Blutnentnahme auf...)
Als ich gerade mitten beim ins-Brot-beissen war, tauchte der Pfleger-ohne-Frack [TM] erneut auf und rief mit zuckersüsser Stimme in Richtung des alten Mannes "Schauen Sie mal, hier haben wir noch lecker Milch!".
Ich verschluckte mich an meinem Brot, hustete und stand vor der Wahl:
1. nichts sagen, eine Viertelstunde schlecht fühlen
2. etwas sagen, Milch abgelaufen, Ruf der Stations-Petze einheimsen (--> Nadeln)
3. etwas sagen, Milch frisch, Ruf des Stations-Klugscheissers einheimsen (--> noch mehr Nadeln)
Ich fühlte mich eine Viertelstunde schlecht.
Dann hörte ich das Rascheln, das Cellophan-Papier verursacht, wenn man versucht einen Milch-Strohhalm daraus zu befreien. Ich fühlte mich noch eine weitere Viertelstunde schlecht.
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mih2,
Freitag, 1. September 2006, 17:17
Lesenswert
Ich wollte dir nur mal schreiben, dass ich deinen Blog sehr gerne lese und natürlich wünsche ich dir bei dieser Gelegenheit gute Besserung. Ich war zwar noch nie ernsthaft krank, aber ich war auch mal mehrere Wochen im Krankenhaus und wurde dort mit Nadeln jeder Länge und Form traktiert, an Maschinen angehängt, deren Namen ich nicht mal aussprechen kann und zu guter Letzt auch noch beklaut. Daher fühle ich mich durch deine Storys zumindest ein wenig an meine Krankenhauszeit erinnert.
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