Freitag, 22. September 2006
Der Schwesternruf-Klingelstreich [TM]
Beim Frühstück gab es heute keine Auffälligkeiten, aber ich habe eine neue Beschäftigung für den armen isolierten Krankenhaus-Aufsässigen gefunden:

Den Schwesternruf-Klingelstreich [TM]

Der Klingelstreich an sich ist vor allem beim Schwesternruf für den Nachwuchsdelinquenten sehr heikel. Es geht dabei darum, auf den Schwesternruf des netten alten Mannes nebenan zu drücken und anschliessend alles abzustreiten. Problematisch wird es, wenn man es nicht abstreiten kann und deshalb habe ich den Schwesternruf-Klingelstreich [TM] etwas ausgearbeitet.

Man benötigt dazu:
- 1 Krankenzimmer mit zwei Betten und zwei verschiedenen Schwesterruf-Klingeln (Das Opfer braucht unbedingt eine eigene!)
- eine handvoll genervte Schwestern, die keinen Bock haben, rumzurennen oder überhaupt irgendwas zu tun
- einen Zimmernachbarn (am besten geeignet ist hierbei natürlich der Typ Mensch, bei dem Außerirdische grundsätzlich zuerst im Garten landen, weil ihm ja doch keiner glauben würde (Alkoholiker sind besonders gut geeignet, ein netter alter Mann tuts in meinem Falle jedoch auch.))
- 1 bösen Finger
- Nacht (oder zumindest sehr späten Abend)

Das mit der Nacht ein einen einfachen Grund. Nein, sogar zwei:

1. Die Schwestern sind nachts gereizter.
2. Man kann sich nach vollbrachter Tat schlafend stellen und den Spaß genießen. (Unter der Decke fällt schadenfrohes Gekicher oft weniger auf...)

Also warte man bis es Nacht wird. Oder zumindest sehr später Abend. Wichtig dabei ist, daß die Schwestern der Nachtschicht es sich gerade erst so richtig gemütlich gemacht haben. Das optimale Timing ist natürlich Übungssache.

Klingelt man nun anderer Leute Schwesternruf-Klingel, kommt die Schwester. Der alte Mann sagt "Er wars!", die Schwester erwischt einen beim schadenfrohen Gekicher und schwupps - Nadeln!
So gehts also nicht!

Der Trick dabei ist, das eigentliche Drücken der Klingel entsprechend vorzubereiten, allerdings muss man dabei einigermassen leise vorgehen um keine Schwestern frühzeitig auf den Plan zu rufen.

Das Geheimnis: Sorge dafür, daß man dem netten alten Mann keinen Glauben schenkt!
Dazu ist es natürlich nötig, ihn eine so blödsinnige Story erzählen zu lassen, daß sie ihm noch drei Tage bis zur Einweisung in die Neuro geben.

Ich fand eine recht einfache Methode, dies zu erreichen.

Es wurde später Abend und ich sprang aus meinem Bett, direkt auf den netten alten Mann zu.
Dabei rief ich - zwar leise genug um keine Schwestern zu alarmieren, aber immer noch bedrohlich laut genug, um dem alten Mann einen Schrecken einzujagen - "Ich bin Das-Huhn-das-die-Klingel-Drückt, gackgackgack! Ich bin Das-Huhn-das-die-Klingel-Drückt, gackgackgack!" und machte entsprechende Armbewegungen.
Dies wiederholte ich so oft, bis der arme alte Kerl gar nicht mehr verstand, warum er überhaupt hier war.
Dann sprang ich schnell zu seiner Klingel - und drückte!

Flugs sprang ich in mein Bett und stellte mich schlafend.
Tatsächlich kam auch eine Schwester und fragte ihn, was er wolle.
Der alte Mann sagte, ich habe die Klingel gedrückt - aber ich schlief ja, wie die Schwester ihm erklärte.
Dann sagte der alte Mann, ich habe mehrfach betont, ich sei Das-Huhn-das-die-Klingel-Drückt, nicht zu vergessen dabei auch noch gegackert wie ein Huhn!

Nun war der Schwester natürlich alles klar - "Damit können Sie sonstwen verarschen, aber nicht mich! Jetzt gibts wieder Nadeln, so!"

Wichtig ist, dabei möglichst LEISE schadenfroh zu kichern, denn sobald eine Schwester mitbekommt, daß man sich vor lachen nicht mehr einkriegt oder auch nur schmunzelt, weiß sie sofort, was gespielt wird und daß der nette Mann doch Recht hatte.

Alles in allem aber ein recht amüsantes Spiel. Je öfter man es abends spielt, umso lustiger wird es und umso "beliebter" wird der Zimmernachbar.

Einen unliebsamen Zimmernachbarn kann man mit diesem Spielchen übrigens direkt in die Neuro (geschlossen) schleudern (ohne 4000,- DM und ohne die Möglichkeit über Los zu gehen).

Aber bei dem netten alten Mann ists ja nur Spaß. Ich hoffe, das weiß er auch und nimmt es mir nicht krumm...

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Montag, 11. September 2006
Von Verdachtsmomenten und dem Unten der Münze
Heute mittag kam die Ärztin spontan ins Zimmer gestürzt, um meinem netten alten Nachbarn zu unterbreiten, daß er morgen früh bronchioskopiert würde. Wie aufmerksam.

Und sie sprach es aus...
Daß der TBC-Verdacht doch auf sehr wackligen Füßen stehe.
Daß etwas anderes möglicherweise die Ursache für den Erguß in seiner Lunge wäre...
Daß es vielleicht doch etwas mit seiner Prostata-Krebs-Geschichte zu tun hatte...

Mit anderen Worten:
Daß die Wahrscheinlichkeit für Lungenkrebs höher sei als die für Tuberkulose.

Und das war sie, unsere Portion Scheiße für heute.
Du weisst, wo Du bist. Du weisst, daß Ihr beide die einzigen hier seid, die keinen Krebs haben und dann trifft es Deinen Zimmernachbarn und Du bleibst als einziger über...

Und dann fielen mir wieder die Fragen ein, die die Ärzte schon im Laufe der Woche eher unauffällig gestellt hatten.
"Haben Sie viel mit Asbest gearbeitet?"
"Haben Sie frühr lange und viel geraucht?"

Natürlich hatte ich meine Theorien, aber diese wollte ich nicht haben.

Das ist nicht einer von tausenden, die mit Lungenkrebs in irgendeiner weit entfernten Klinik rumliegen, es ist Dein Zimmernachbar!
Es liegt viel zu nahe, als daß man die Augen davor verschliessen könnte.

Heute mittag gabs für uns beide Kaffee.

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Freitag, 8. September 2006
Vom natürlich bedingten Herzschmerz
Nach dem Frühstück kommt gewohnterweise irgendwann das Mittagessen und nach dem Mittagessen ist es Zeit für die Unglaubliche-Ergotherapeutin [TM].
So auch heute wieder und natürlich - kaum ist sie da - klingelt das Telefon.
Torsten!

Ich habe mich sehr kurz gefasst und diesmal aufgelegt bevor die Unglaubliche-Ergotherapeutin [TM] abhauen konnte.

Dann kam der Moment, als sie mich vor dem "Tschüss dann"-Sagen mit ihren braunen Ergotherapeutinnenaugen an- und eine schöne Weile nicht mehr wegsah.

Sollte aus all den scherzhaften Sprüchen über die Unglaubliche-Ergotherapeutin [TM] plötzlich Ernst werden?

Und während sie mich so anblickte, traf es mich und als sie ging hinterliess sie mich so verwirrt, als hätte sie meinen Kopf gegen die Krankenhaus-Graffiti-Wand geschlagen, um Sterne zu sammeln, die ich abends zum besser-einschlafen zählen konnte...

Ich gehe davon aus, geradewegs auf die Phase "Deprimiert-Sein" zuzuwandern. Im Laufe der Woche, wenn der alte Mann geht, wird sie verschwinden und das wars dann.

Aber ich bin ein tapferer Mann, fast schon ein Indianer, denn ich kenne keinen Schmerz! Und:
Ich habe nicht geweint!

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Mittwoch, 6. September 2006
Unauthorisierter Eingriff in die Brötchenverteilung
Sie haben es gewagt!

Unauthorisierter Eingriff in die Brötchenverteilung!

Die verdammte Frühschicht hat es gewagt, mein Roggenbrötchen durch ein helles Brötchen zu ersetzen (Dabei sind Roggenbrötchen viel gesünder! Ist das hier jetzt kein Krankenhaus mehr? Kann ich dann gehn?). Sie haben die Brötchen angerührt und durcheinander gebracht. Und das als werktätige Frühschicht!

Zu aller Überflüssigkeit - jetzt wollten sie es wohl endgültig wissen! - befand sich Wurst auf meinem Teller.
Natürlich habe ich mir das nicht gefallen lassen, beschwert habe ich mich allerdings nur über die Wurst.
"Soll ich noch etwas Käse bringen?" lautete der scheinheilige Spruch der Schwester-Mit-Dem-Essen [TM], die ausgiebig darauf wartete, wie ich wohl reagieren würde.

Doch ich blieb cool!
"Danke, ich brauche sonst nichts, ich komme schon klar!"

Und als sie ging, schlich ich zu meinem geheimen, bereits vor Tagen angelegten Brotbelags-Vorratslager. Dachten die, ich sei unvorbereitet?
Ich zog eine Packung Nutella aus meiner Schublade und als kleine Rache nahm ich ein weiteres Stück Zucker aus der Zuckerdose und legte eine weitere Kaffee-Sahne hinein...

Die würden sich noch wundern !!!
Da bin ich mir ganz sicher!

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Dienstag, 5. September 2006
Von Death-Metal und Ninja-Loot
Gestern abend hatte ich ein merkwürdiges Einschlaferlebnis.

Ich lag in meinem sanften Krankenhausbette, um meinen wohlverdienten Schlaf der Gerechten und atemberaubend Schönen einzufordern, als plötzlich Töne in mein Ohr drangen...
Töne, die sich zu einer Melodie formten...

"Wo mögen diese Töne herkommen?", fragte ich mich, doch ich antwortete nicht.
Nichtsdestotrotz lauschte ich weiter und erkannte die Melodie...

"WE DIDN'T START THE FIRE....
DUMMDIDUMMDIDUMMDADADIDUMMDIDUMMDADA..."

Ein Song den ich eigentlich bisher immer mochte, doch was für eine Version war dies?
Sie klang ein wenig schräg und durch die Schläfrigkeit meiner Ohren kombiniert mit der Entfernung der Tonquelle sogar gut...

Ich dachte zuerst, es handele sich vielleicht um eine Version der Sex Pistols, aber bei ganz genauem Hinhören, bemerkte ich die Doppel-, Trippel- und Multiple-Bass-Drums.

Ich wusste was da gespielt wurde!

Da war jemand mit langen Haaren am Werk!

Es handelte sich um eine
DEATH-METAL-VERSION [TM] !!!

Ich ahnte schreckliches und sollte mit Recht-Haben [TM] (meiner Meinung nach der größte und bitterste dem Menschen bekannte Fluch) bestraft werden.

Es dauerte lange, bis ich endlich einschlief und meinen ganzen Einschlafversuchen über wurde ich mit Death-Metal-Hymnen - hauptsächlich Cover-Versionen (sogar das Schlümpfe-Lied war dabei!) - beschossen.

Ein würdiger Einstieg in einen beschissenen, brotreduzierten Montag Morgen.

Der nette alte Mann liegt übrigens immer noch in meinem Zimmer, es wird wohl noch ein paar Tage dauern, bis sie merken, daß er doch keine Tuberkulose hat...

Und dann werde ich den Sound hier aufdrehen!

Ich habe es geschafft, mein komplettes Software-Soundsystem auf meinem Laptop zu installieren und sobald ich hier alleine liege, werde ich die Systeme ein wenig "testen", harrharr!

Ich habe übrigens heute angefangen, Äpfel zu sammeln. Zwei habe ich schon, aber im Laufe der Tage kommen bestimmt noch genügend dazu. Ich spare auf einen eigenen Apfelbaum. Ich weiss zwar noch nicht, was ich mit ihm anfange, wenn ich ihn zusammengebastelt habe, aber ich werde das Gefühl nicht los, daß es von Vorteil sein könnte, hier drin einen Apfelbaum zu besitzen.

Und ich habe meinen Eltern den Auftrag erteilt, mir eine Tüte schwarzer Eddings zu besorgen.
Ausserdem benötige ich einen Mundschutz und einen dieser löchrig-weissen-vor-genau-gar-nichts-schützenden-Kittel, die man bekommt, wenn man mein isoliertes Krankenhauszimmer zu Besuchszwecken betritt.
Dann werde ich in tagelanger Kleinstarbeit zuerst den Mundschutz und danach den löchrig-weissen-vor-genau-gar-nichts-schützenden-Kittel mit schwarzem Edding einfärben, bis kein noch so klitzekleines Fünkchen weiß mehr zu sehen sein wird...

Dann streife ich mir die mit schwarzem Edding getarnten Klamotten über und fertig ist der

<super mario sound mdule on>
KRANKENHAUS-NINJA [TM]
<super mario sound module off>

Und dann stehen mir endlich alle Möglichkeiten offen, die Gunst der Dunkelheit zu nutzen, mich aus dem Quarantäne-Zimmer zu schleichen und mich draussen an dem reichhaltigen Angebot stationären Pflegebedarfs (dies umfasst Lebensmittel im Allgemeinen, Kaffee und diverse Puddings im Speziellen und Praktikantinnen im ganz Besonderen) zu bedienen!

Friß das, Krankenhaus!

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Samstag, 2. September 2006
Von griechischer Mythologie und Schichtmathematik
Heute nacht hatte ich einen merkwürdigen Traum.
Ich befand mich in einer griechischen Szenerie und zog als griechischer Sagenheld durch die Lande. Ich fühlte mich grossartig! Kein Wunder, als griechischer Sagenheld war ich das ja auch!
Und als ich so durch die Lande ritt, auf meinem griechischen Sagenheldenpferd, da sah ich drei schöne Frauen in Not und ich dachte mit meinem griechischen Sagenheldengehirn: "Oh, drei schöne Frauen in Not!".
Irgendetwas kam mir an ihren Gesichtern merkwürdig vor, aber darum konnte ich mir auch nach der Rettung der griechischen Schönheiten noch Gedanken machen...
Ein griechischer Sagenheld muss tun, was ein griechischer Sagenheld tun muss!
Und so ritt ich heran, sprang von meinem Pferd, bekämpfte die Not und besiegte die Not.
Sofort wanden sich die griechischen Schönheiten um mich und erst da sah ich, was mit ihren Gesichtern nicht stimmte:
Die griechischen Schönheiten trugen je einen grün-weiss-getreiften Mundschutz.
Und als sie durcheinanderriefen "Oh, Tuberkules, unser Held", wachte ich schweissgebadet auf und hörte gerade noch, wie des Lebens pure Schadenfreude, ein leises "äätschibäätsch!" intonierend und schleichend aus meinem Krankenzimmer verschwand.

So fand ich mich damit ab, daß ich geradewegs aus einem ich-weiß-nicht-so-recht-was-ich-davon-halten-soll-Traum in einen ich-weiß-nicht-so-recht-was-ich-davon-halten-soll-Tag schlidderte.

Und dieser wurde bereits in seinen Anfängen meinen Befürchtungen gerecht...

Ich bemerkte es bereits, als mir das Frühstück serviert wurde. Bei dem Wort Frühstück müssten bei Euch mittlerweile sämtliche Signalleuchten auf ein Rot umspringen, um das Euch die Feuerwehr beneiden würde...

Ich hatte zwei Brötchen und genau eine (1!) Scheibe Brot. Ich wußte, was das bedeutete!

Die Frühschicht war stinkesauer!

Und schon öffnete sich die Tür meines Krankenzimmers ruckartig und herein kam ein netter Pfleger, der sich jedoch bereits auf dem Weg von Tür zu Bett als Schwester-Mit-Der-Nadel [TM] entpuppte.
Es war wie jeden Montag.
Stinkewütend, nichts an den Brötchen ändern zu können, trieben sie ihren Schabernack mit der Brotration, verteilten grundsätzlich viel zu wenig Zucker für all den Kaffee und schickten ihre düsteren Boten aus, die Stationswelt mit gemeinen und grauenvollen Blutnentnahmen zu martern.

Dann kam der Punkt, an dem ich mir als geborener Rebell dachte:
"Mit mir nicht mehr!"

Und ich setzte an zum Gegenschlag!
Die Frühschicht wollte mich also ärgern, mich als Schachfigur benutzen, sehen wie ich reagiere?
Oh, ich WÜRDE reagieren, denn jetzt war ICH am Zug, zu sehen, wie DIE reagierten!

Auf meinem Krankenhauszimmertisch befand sich ein Döschen in dem abgepackte Zuckerpäckchen herumlagen.
Da ich grundsätzlich weniger Zucker als Kaffee oder Tee zur Verfügung habe, reduzierte sich die Menge der Zuckerpäckchen drastisch.
Da ich grundsätzlich mehr Kaffeesahne als Kaffee oder Tee zur Verfügung habe, steigerte sich die Menge der Kaffeesahnedöschen drastisch.
Nun ist die einst mit Zucker gefüllte Dose zugestellt mit Kaffeesahne und ich bin wirklich gespannt, wann sie DAS bemerken und wie sie DARAUF reagieren!

Krieg der werktägigen Frühschicht !!!
Keine Gnade !!!

Die Nebel des Krieges verziehen sich gegen Mittag, denn dann löst die Mittagsschicht die böse Frühschicht ab und der Tag nimmt seinen gewohnten Lauf.
Doch irgendwie glaube ich, daß auch die Mittagsschicht ihre knorrigen Finger im Schachspiel hat, beispielsweise bekommen alle Patienten mittags Kaffee. Der nette alte Mann und ich bekommen mittags jedoch KEINEN Kaffee.
Mit anderen Worten: Es ist was faul an der ach-so-netten Mittagsschicht!
Doch wo genau liegt der Hase im Argen? Diese Frage stelle ich mir seit Tagen und ich grübelte und grübelte...
Warum sollte die Mittagsschicht Interesse daran haben, es uns heimzuzahlen?
Sollten sie mein Zucker-und-Milch-Spiel [TM] durchschaut haben?
Aber nein, wenn es einer bemerken würde, dann doch die gierige und extrem aufmerksame Frühschicht.
Also, wo liegt das Problem?
Ich fragte mich tage- und nächtelang...

Und dann fiel es mir brühwarm ein:
Die Mittagsschicht dieser Woche ist die Frühschicht der letzten Woche !!!
Und wenn man sich diesen Schritt vor Augen hält, wird einem auch der nächste bewusst:
Die Nachtschicht dieser Woche ist die Frühschicht der vorletzten Woche !!!
Und nächste Woche ist die Nachtschicht die Frühschicht meiner ersten Woche hier drinnen... und sie schreit nach Rache!

Ich werde kein Auge schliessen können, ständig angespannt, ständig leben und schlafen unter der grausigen Angst, der verlegten Frühschichte einer der letzten Wochen zum Opfer zu fallen...

Nein, das Leben hier drin ist wahrlich kein Zuckerschlecken...

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Freitag, 1. September 2006
Von Zivilcourage und dem Druck, unter dem man steht, wenn jemand mit Nadeln droht!
Das Thema Zivilcourage beschäftigt mich hier drinnen sehr.
Oder besser gesagt die Frage: Wo hört Zivilcourage auf und wo fängt Klugscheisserei an?

Ein kleines Beispiel:
Ich bekomme mittags meist zwei Nachtische, um meine Statur ein wenig auf Vordermann zu bringen. Gestern hatte ich
1. einen Becher Mousse Au Chocolat, den ich aufgrund der Gelatine jedoch "vergessen hatte, vor dem abräumen vom Tablett zu nehmen" bzw. heimlich habe zurückgehen lassen und
2. ein Becherlein Milch.
Nun gut, dachte ich. Milch magst Du zwar nicht, aber lieber Milch als gar kein Nachtisch!
Dann fiel mein Blick auf das Verfallsdatum: Die Milch war seit drei Tagen abgelaufen.
Gut, daß ich latent paranoid bin, die Augen offen halte und mir nicht einfach alles in den Mund stecke, was man mir auf den Tisch legt.
Anders verhält sich in solchen Situationen der nette alte Mann nebenan.
Was soll er auch anderes tun?
Er ist den Schwestern und Pflegern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert!

Just gestern morgen hatte eine der Schwestern einen meiner Waschlappen von der Heizung genommen, um den alten Mann damit zu waschen. Ich persönlich habe damit keine Probleme, ich schenke dem netten alten Mann gerne einen meiner Waschlappen.
Nur war dieser leider schon benutzt!
Ich habe mir vorgestellt, wie die Schwester schön und gewissenhaft seinen Mund, vor allem seine Mundwinkel damit säubert... Ich war in diesem Moment sehr froh, daß ich mir meine Waschlappen stets selbst aussuchen konnte!
Hätte ich dieses Detail des allmorgentlichen Waschrituals früher bemerkt, ich hätte sicherlich laut "HEY, MOMENT MAL!" gerufen und das wäre eindeutig unter "Zivilcourage" gefallen.

Man wünscht Menschen nicht, daß sie mit den benutzten Waschlappen anderer Leute das Gesicht gewaschen bekommen, wirklich nicht!
Und ich hatte es leider erst zu spät bemerkt.

Doch zurück zur Milch.
Ich wollte die Milch nicht zurückgehen lassen, da ich ja bereits meinen Mousse au Chocolat "auf dem Tablett vergessen" hatte. Und jeder Aufruhr für den Du verantwortlich bist, bringt Dich einem Date mit der Schwester-Mit-Der-Nadel [TM] näher!
Also liess ich die Milch im Mülleimer verschwinden, unter einer leeren Puffreispackung, so daß keiner auf den Gedanken kommen konnte "Oh, hier liegt ja noch eine volle Milch!".
Ich war die Milch auf Nimmerwiedersehen los!
Aber ich dachte natürlich nicht daran, daß dort, wo die Milch herkam noch andere standen.
Allesamt abgelaufen.
Allesamt voller Hoffnung, vielleicht doch noch unbemerkt getrunken zu werden.

Ich vergaß den Vorfall, da er mir nichtig erschien.
Die Zeit verrann und dann kam das Abendessen.
Ich aß es.

Mein netter alter Nachbar wollte lieber Suppe. Der Pfleger verschwand und eilte kurz darauf mit einem Teller Suppe zurück.
(Ich versuche immer, mir die Pfleger im Wrack vorzustellen, aber weder Kellner noch Pinguine tauchen montags zur Blutnentnahme auf...)
Als ich gerade mitten beim ins-Brot-beissen war, tauchte der Pfleger-ohne-Frack [TM] erneut auf und rief mit zuckersüsser Stimme in Richtung des alten Mannes "Schauen Sie mal, hier haben wir noch lecker Milch!".

Ich verschluckte mich an meinem Brot, hustete und stand vor der Wahl:
1. nichts sagen, eine Viertelstunde schlecht fühlen
2. etwas sagen, Milch abgelaufen, Ruf der Stations-Petze einheimsen (--> Nadeln)
3. etwas sagen, Milch frisch, Ruf des Stations-Klugscheissers einheimsen (--> noch mehr Nadeln)

Ich fühlte mich eine Viertelstunde schlecht.

Dann hörte ich das Rascheln, das Cellophan-Papier verursacht, wenn man versucht einen Milch-Strohhalm daraus zu befreien. Ich fühlte mich noch eine weitere Viertelstunde schlecht.

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Donnerstag, 31. August 2006
Vom untergrundigen Krankenhaus-Hardcore-Hip-Hop und der Schwester-Mit-Der-Nadel [TM]
Und noch eine Erkenntnis:
Im Krankenhaus sind diverse Elemente der Jugendkultur Hip-Hop versteckt.
Man muss sie nur finden!
Und sie sind wahrlich sehr gut versteckt!

Der Krankenhaus-Hardcore-Hip-Hop lebt entgegen dem Strassen-Hip-Hop noch im tiefen Untergrund, fast nicht aufzuspüren und die Szene ist so klein, daß sie kaum auffällt.
Hier bringt man auch keine Alben raus, nicht mal in geringen 500er Auflagen.
Hier hält man es familiär, ein eingeschworener Kreis hartgesottener Krankenhaus-Hardcore-Hip-Hopper, die wie Guerillas aus dem Untergrund heraus agieren.

Als Beispiel möchte ich Krankenhaus-Graffiti aufführen.
Sind Euch nicht auch schon einmal die wunderbar weissen Wände der Krankenhaus-Zimmer aufgefallen, wo jedes Graffiti-begeisterte Hirn sofort denken würde "Hey, da wäre Graffiti ja jetzt geil!".
Ja, Graffiti ist hier in der Tat möglich!

Wie es geht?
Gebt acht!

An meinem ersten Tag hier bekam ich aufgrund der Bronchioskopie eine Braunüle in den linken Arm.
Braunülen sind nichts weiter als Infusionsnadeln. Und wenn gerade mal keine Infusion dranhängt, bekommen die Dinger Schraubverschlüsse. Mit schraubverschlossener Braunüle landet der Krankenhaus-Hardcore-Hip-Hopper nun also in seinem Krankenzimmer mit der wunderbar weissen Wand und wird dort zurück- und weitgehend auch seinem Schicksal überlassen.
Der Graffiti-begeisterte Krankenhaus-Hardcore-Hip-Hopper wird natürlich - sobald die Luft rein ist (Kalauer-Bonus: 5 Punkte für "Die Luft ist rein" in einer Lungen-Klinik!) - nichts besseres zu tun haben, als sich geschickt vor der weissen Wand in Position zu begeben - eine Skizze auf dem Krankenhaustischlein neben ihm - und dann schnell handeln.

Ein kurzer Handgriff des geübten Krankenhaus-Hardcore-Hip-Hop-Sprühers und der Schraubverschluss der Braunüle ist geöffnet, heraus strömt die Farbe und zaubert der Vorlage entsprechend ein wunderschönes Graffiti an die Wand.

Diese Form des urbanen Vandalismus hat jedoch zwei Nachteile:
1. Die Farbwahl ist äusserst eingeschränkt.
2. Je größer das zu sprühende Graffiti, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß der Krankenhaus-Hardcore-Hip-Hopper umfällt und a) nicht mehr aufsteht oder b) erwischt wird (mit offener Baunüle am Boden liegend kann man schlecht sagen "Der Oppa nebenan wars!").
Wird man erst mal beim untergrundigen Krankenhaus-Hardcore-Hip-Hoppen erwischt, dann lernt man das schrecklichste Wesen des ganzen Krankenhauses kennen (neben dem Arzt-Mit-Dem-Bohrer [TM] und dem Sadistischen-Doktor-Mit-Den-Entlassungspapieren [TM]):

Die Schwester-Mit-Der-Nadel [TM]!

Jede Schwester, egal wie freundlich, egal wie sexy, kann plötzlich zur Schwester-Mit-Der-Nadel [TM] werden. Sie ist es noch nicht, wenn sie das Zimmer betritt, mit der Spritze unterm Arm - die könnte ja auch für den netten Oppa nebenan sein, aber sie kann es mit 50%iger Wahrscheinlichkeit werden.
Die Schwester-Mit-Der-Nadel [TM] wird nicht über die Nadel an sich definiert, sondern vielmehr über die Zielstrebigkeit, mit der sie versucht, dem armen untergrundigen Krankenhaus-Hardcore-Hip-Hopper selbige irgendwohin zu rammen.
Selbst ein harmloser Krankenpfleger kann urplötzlich und ohne Vorwarnung zur Schwester-Mit-Der-Nadel [TM] werden!

Solltet Ihr jemals im Krankenhaus landen, vertraut niemandem!
Klagt niemals über Wehwehchen, denn jedes Eurer Wehwehchen kann die Schwester-Mit-Der-Nadel [TM] auf den Plan rufen!
Schützt Euch!
Sagt stets, es ginge Euch gut!
Sagt stets, Ihr hättet bereits Blut abgegeben!
Sagt stets, Eure Temperatur sei okay!
Und sollten die Tabletten, die Ihr zu schlucken habt noch so riesig sein, noch so schwer runterzubekommen, versichert stets jedem, daß das "doch ein Klacks" sei und Ihr in Eurem Leben schon "weitaus größere Dinger mit Leichtigkeit" geschluckt hättet!

Ein Fehler, ein Stottern, ein klitzekleines Verplappern und aus dem netten Pfleger, der Euch eben noch heimlich eine Zigarette organisieren wollte, wird
die Schwester-Mit-Der-Nadel [TM] !!!

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Zwischenstand: Schachspiel-der-Frühschicht [TM]
Und schwupps, schon ist es Sonntag morgen und wieder Frühstückszeit.
Dies gibt mir Anlass, Euch meine neuesten Informationen bezüglich des Schachspiel-der-Frühschicht [TM] zukommen zu lassen.

Folgendes konnte ich herausfinden:
Die Brötchen sind unantastbar - von der werktätigen Frühschicht!
Die wochenendige Frühschicht dagegen kann durchaus Modifikationen an Beschaffenheit und Menge der Brötchen vornehmen. So bekam ich gestern Brötchen, die nicht mehr frisch waren und heute gleich gar keine.
Dafür aber verhältnismässig leckeren Kuchen.
Die Brotrationen waren wieder auf drei gesunken, was die werktätige Frühschicht jedoch gleich morgen wieder ändern wird - aus reiner Wut, nichts an den Brötchen manipulieren zu dürfen!
Die sind montags sogar immer so wütend, daß sie mir nicht nur im Frühstück rumpfuschen, sondern auch noch bevor ich überhaupt mein erstes Brötchen geschmiert habe, in mein Zimmer eindringen um mir Blut zu zapfen, einfach nur so - aus reiner Wut, nichts an den Brötchen manipulieren zu dürfen!

Und dann gehts an die Brotrationen, und zwar so richtig!

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Mittwoch, 30. August 2006
Ausgerechnet Affen!
Es regnet. Und das schon fast den ganzen Tag.

Aber das ist gut, denn dieser Umstand hält mir die Affen vom Fenster fern.
Es tut so gut, endlich mal Ruhe zu haben, Ruhe vor dem ständigen "Bums" und "Knall" der bescheuerten Affen, die mir hier dauernd von aussen gegen das Fenster springen, weil diese Idioten glauben, es sei offen.
Sie lernen es nie.

Ständig springen sie von aussen gegen das Fenster, ausser... wenn es regnet!

Bei diesem Wetter verstecken sie sich unter den Kirschbäumen im Mischobstgarten und vor allem: Bei Regen gibt der Zeppelin Ruhe!

Ich weiß nicht, woher die Affen kommen, aber es nervt, daß sie aus purer Panik davor, geangelt zu werden, ständig versuchen hier rein zu kommen und dabei gegen die Fenster knallen. Ich wollte mir schon eine affenförmige schwarze Folie fürs Fenster besorgen, aber leider gibts die Dinger nicht auf Vorrat. Und bis welche fertig wären, dauert es Wochen.
Bis dahin haben mir die verdammten Affen längst die Scheiben eingesprungen, vor allem wenn Montag die Sonne scheint und der Zeppelin wieder auf Angeltour geht.
Warum er versucht, nach den Affen zu angeln weiß ich genausowenig, wie wo die Affen herkommen, aber es ist alles äusserst seltsam...

Ich hatte bereits die Idee, eine Affenform mit schwarzem Edding auf mein Fenster zu malen, doch als ich die Schwestern nach Edding fragte, stellten sie zu viele Fragen.
Ihnen diese Fragen zu erklären, brächte mich von dieser geschlossenen Anstalt direkt in die nächste.

Ich weiß wirklich nicht, was ich gegen die Affenplage tun soll...

Am liebsten wäre es mir, wenn einer der Pfleger einmal mitbekäme, wie einer der Affen gegen mein Fenster knallt und runtersaust (was weh tun muß, ich befinde mich hier immerhin im 2. Stock, die armen Irren!). Was gäbe ich dafür, nur einmal von einem Pfleger etwas in der Art von "Achje, was machen denn die ganzen Affen da draussen?" zu hören, aber weder die Pfleger noch die Schwestern haben bisher einen der Affen in Aktion erlebt.

Zumindest heute nacht werde ich meine Ruhe vor ihnen haben und die Nacht beginnt im Krankenhaus, selbst an den Wochenenden immer äusserst früh.

Nämlich genau...
JETZT!

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Dienstag, 29. August 2006
Vom Schicksal des netten alten Mannes
Es gibt hier auch ernsthaft negative Seiten, über die ich nicht hinwegsehen kann.
Ich befinde mich hier in einer Lungenklinik und was das bedeutet war mir eigentlich von Anfang an klar. Ein Pfleger sagte abends mal, um den netten alten Herrn neben mir und mich zu beruhigen: "Eine Tuberkulose ist nicht so schlimm, das hatte ich auch mal... Tuberkulose ist das Beste, was man hier bei uns haben kann."

Und mit diesen Worten verliess er das Zimmer.

Dieses gesamte Haus ist durchzogen vom Tod. Viele von den Menschen die in den Zimmern um mich rum liegen werden hier wahrscheinlich nicht mehr raus kommen.
Es ist schlimm, diesen Gedanken ständig im Hinterkopf haben zu müssen, auch wenn man sich die meiste Zeit irgendwie ablenken kann.
Ich frage mich manchmal ernsthaft, wie Pfleger und Schwestern es schaffen, sich hier zu einem Lächeln durchzuringen, umgeben von dieser Atmosphäre.

Ich frage mich, ob es Fluch oder Segen ist, daß ich mein Zimmer nicht verlassen kann.

Ich habe hier eigentlich gar keinen Grund zu jammern, auch wenn ich die Isolation gerne als Grund dazu sehe und auch wirklich gerne jammere, nur damit man sich ein bisschen besser fühlt...

Eine Sache, die mich hier sehr mitnimmt ist der alte Mann im Nebenbett. Er kam aus einer Klinik von weit her, wo er vorbehandelt wurde auf Tuberkulose. Dann landete er hier, in meinem Zimmer, und wurde weiterbehandelt. Auf Tuberkulose.

Mir fiel von Anfang an auf, daß der alte Mann viel zu wenig hustete. Auch sein TBC-Test fiel negativ aus. Für mich war klar, daß der Mann fehldiagnostiziert wurde, allerdings nicht hier, sondern bereits in der anderen Klinik.
Nachdem man ihm hier in die Lunge geschaut hatte (nicht via Bronchioskopie, sondern via lange Nadel und zwar durch die Rippen!), fiel den Ärzten plötzlich auf, daß da etwas nicht stimmte.
Ich schätze, Montag wird er umverlegt, wenn sich alle GANZ sicher sind, daß er doch keine TBC hat...
Anstecken kann er sich bei mir nicht, da er stark chemisch auf TBC behandelt wird.
Seit Tagen beklagt er Schmerzen von der Lungenpunktion und sein ganzer Körper ist verstochen. Jeden Abend bekommt er eine Spritze in den Bauch, hat wohl irgendwas mit dem Prostatakrebs zu tun, den sie ihm in der anderen Klinik bereits rausoperiert hatten.
Dazu kommt, daß sich seine Familie einen Scheissdreck um ihn kümmert.
Zweimal die Woche tauchen seine Frau und seine beiden Töchter hier auf und jammern ihm vor, daß es zu teuer sei, jeden Tag mit dem Bus hergefahren zu kommen.
Ansonsten haben sie sich nicht viel zu erzählen.
Das Wetter, blahblah, Small-Talk.
Der alte Mann hat es schwer und manchmal würde ich ihm gern auf die Schulter klopfen und ihm sagen "Das wird wieder, Kopf hoch!".
Aber ich habe keine Ahnung, ob es wieder wird.
Keiner weiß, was er in der Lunge hat und man für TBC hielt, folglich wird er auch darauf noch nicht behandelt. Und dennoch: Schmerzen, Blutentnahmen, Nadeln, Röhrchen, eine schreckliche Familie die einem nichts mehr zu sagen hat ausser nervtötender Nichtigkeit.
Man sollte nicht allzuviel darüber nachdenken. Normalerweise kann man auch ganz gut Distanz halten zu Menschen, die man nicht kennt und deren Probleme man sich nicht aufladen will. Aber hier springen sie einen an, ob man will oder nicht.

Ich denke manchmal zu viel nach. Über den alten Herrn im Nebenbett, über die Klinik im Allgemeinen und über die schrecklichen Hust- und Würglaute, die man gelegentlich aus nahegelegenen Zimmern hört.

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